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Wenn Frauen hassen

Die Autorin und Kommunikationswissenschaftlerin Pauline Harmange hat auf 112 Seiten ausgebreitet, was sie von Männern hält: weniger als nichts. Sven Schlebes hat das Buch gelesen.

Zur Hölle nochmal: Ja. Frau kann uns Männer hassen. Es gibt sogar ein Wort für diese Ablehnung aus vollem Herzen: Misandrie. Pauline Harmange versteht sich selbst als dessen Inkarnation: Feindseligkeit, Misstrauen und Verachtung treiben sie an. Sie habe die Männer kennenglernt: Als gewalttätige, egoistische, faule und feige Wesen, die vor allem andere „schlagen, vergewaltigen und töten: Boys will be boys.“ Und deshalb habe sie schreiben müssen: „Ich hasse Männer.“ 109 Seiten lang.

Ich gebe zu: Ich musste lachen, als ich mir die Hass-Elegie einverleibt habe. Ach was: Geradezu verschlungen habe ich den Essay, der für viel Wirbel in einem Frankreich gesorgt hat, das verängstigt nach einer starken Hand Ausschau hält – in Zeiten von muskelprotzenden Politgöttern wie Putin und Xi Jingping. „Wir würden merken (vielleicht anfangs nicht ohne einen kleinen Wermutstropfen)“, so Harmange, „dass wir die Männer tatsächlich nicht brauchen. Ich glaube, wir könnten eine ungeahnte Macht freisetzen, uns weit über den Blick der Männer und männliche Ansprüche aufschwingen – und endlich zu uns selbst finden.“ Oh Gott, eine dieser Querdenkerinnen mögen Sie als verantwortungsvoller Mitmensch jetzt denken. Oder innerlich jubilieren, weil Sie Harmange um den Mut beneiden, endlich mal den Mund aufzumachen. Egal, ob Sie selbst Männer hassen, die Corona-Politik oder Windkrafträder.

In der Tat füllt die Autorin die Rolle der totalen Männerablehnerin wunderbar aus: Eine Offenbarung ist ihr Grundsatz, in Zukunft in allen gesellschaftlichen Bereichen auf die Kraft der Schwesternschaft zu bauen und Männer außen vorzuhalten: „Ich habe eingesehen, dass ich ihnen (den Männern) noch zu viel Platz in meinem Leben einräumen konnte, ohne umgekehrt für sie eine vergleichbare Priorität zu haben. Immer würden andere Männer höher in ihrer Achtung stehen.“ Ich habe gelacht. Nicht, weil ich diese Ansage in seiner grotesken Gewaltigkeit für lächerlich erkläre. Nicht, weil ich keine Lust auf eine inhaltliche Auseinandersetzung hätte. Nicht, weil ich die Ansprüche und Machenschaften der Mütterbiester kennengelernt hätte, der Amazonen und Königinnen. Nicht, weil ich als Mann in diesem Diskurs naturgegeben immer „unter Verdacht“ stehe „früher oder später zu entgleisen“, vor allem als weißer, heterosexueller Cis-Mann.

Ich habe gelacht, weil ich als Leser in jedem Satz das befreite Lachen eines Menschen durchklingeln hörte, der sich die Verzweiflung von der Seele tippt und die Freiheit eines unmaskierten Standpunktes genießt: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders!“ Und das ist ein Anfang, mit dem ich etwas anfangen kann. Auch wenn ich mich im „Nein-Land“ befinde. Aber ich kann mich dort zu ihr im „Ja-Land“ in Bezug setzen. Und ich liebe diese klare Energie.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: „Hass auf andere“ hat uns Menschen viel Leid gebracht. Das weiß ich. Das sehe ich. Das habe ich selbst erfahren. Und trotzdem fühlt es sich nicht kalt an, von Harmange als Mann gehasst zu werden. Keine Angst: den Opferfetisch habe ich längst erfolgreich abgelegt. Wer Harmange liest, ahnt: Sie will nicht herrschen, sie will lieben. Nicht nur ihren eigenen Ehemann. Sondern sich selbst, andere Frauen, das Leben. Das ist kein Hass, der die Zerstörung führen will. Sondern in die Wahrheit. In die Lust. In die Liebe. In die Freiheit.

Harmange ist kein verletztes Kind und keine Idealistin. Harmange ist eine Bohemien, die spielt und um die Absurdität jeglichen Totalitarismus weiß. Deshalb lache ich. Denn ich fühle mich ihr trotz definitorischem „Mann-Sein“ sehr nah. Und ich glaube: Harmange tut es auch. Zumindest lachen. //

Pauline Harmange. Ich hasse Männer. Rowohlt Verlag 2020. Übersetzt von Domkapitaluar Nicola Denis.