Loading...

Nicole Staudinger

Wir Menschen lieben Wandelgeschichten. Die gesamte Literaturgeschichte ist voll davon. „Heldenreise“ nannte das der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell (1904-1987), ein Grundmuster aller modernen Mythenerzählungen: Ein glücklicher Paradiesbewohner muss seine traute Heimat verlassen, um an Abenteuern und Monstern zu reifen, in der Einsamkeit und mit der Hilfe von Freunden, Lehrern und übernatürlichen Wesen zu sich selbst zu finden, um anschließend erfüllt von innerer Weisheit die fremd gewordene Alltagswelt zu retten und zu erneuern.

Jahrelang habe ich mich gefragt, warum diese Reise nur Heldinnen und Helden vorbehalten sein sollte. Mittlerweile ahne ich es. Weil nur wenige von uns wirklich aus ihrem Paradies aufbrechen um zu schauen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Und weil nur die Allerwenigsten von den Wenigen zurückkehren ins trübe Hier und Jetzt.

Nicole Staudinger ist eine von denen, die aufbrachen, durchhielten und: zurückkehrten. Wenn auch, wie so oft, nicht freiwillig. Sondern gezwungen. Zumindest im Aufbruch. Aufgewachsen im rheinischen Kerpen bei Köln lebte die erfolgreiche Verlagskauffrau mit ihrem Mann und zwei Kindern den klassischen Mittelstandstraum. Bis sie unter der Dusche Knoten in der Brust ertastete. Es folgte, was in Dramen folgen musste: Krebsdiagnose. Brustentfernung. Das Tal der Tränen.

Die gefühlte „körperliche Entfrauung“ stieß die junge Familienmutter in eine tiefe Identitätskrise. Anzeigen und Magazine – das war einmal. Während der zweiten Chemotherapie entschied sie sich, schreibend den Weg ins Leben zurückzunehmen. Mit dem Buch „Brüste umständehalber abzugeben“ gelang ihr selbst nicht nur der Beginn einer Verarbeitung der Krebs-Katastrophe. Sie schrieb sich in die Herzen unzähliger Frauen: mit klarem Kopf, klarer Sprache und klarem Humor. Zahlreiche Rückfragen holten sie aus der gefühlten Isolation ins kollektive Leben. Sie entwickelte Trainingsprogramme für Frauen, Bühnenprogramme und publizierte fleißig weiter: Mit „Schlagfertigkeitsqueen“ ermutigte sie ihre Community, in Dialogen kraftvoll und überraschend die Oberhand zu gewinnen. Die „Stehaufqueen“ ist ihr eigenes, zu Papier gebrachtes Erneuerungsprogramm: Ich bin wieder da. Und bei „Männer sind auch nur Menschen“ stand das neue Miteinander der Geschlechter im Vordergrund. Ein Buch mit Folgen, wie sie später gestand: Mit dem Skript schrieb sie sich selbst aus der eigenen Ehe. Zwei Menschen. Zwei Welten. Der eine zurückgeblieben im See. Der andere in den Ozean fortgespült und fortan Freischwimmer. Heldin eben.

Als sie ihren Kindern die Trennung offenbarte, blickte nicht nur die ganze Welt am Corona-Pandemie-Abgrund: Ihr mühsam errungenes privates Familienglück zerbarst in tausend Stücke. Auch wenn es längst nur noch eine leblose Hülle gewesen war. Diesmal waren auch die Kinder direkt betroffen. Manche müssen früh mit den Wellen schwimmen. Andere lernen es nie.

Für viele von uns wäre spätestens an dieser Stelle Ende im Gelände: Krebs, Ehe-Aus, weinende Kinder. Ein Dauerticket auf dem Dampfer Selbstmitleid um den Opferplaneten.

Doch Staudinger wäre nicht Staudinger, wenn sich der Nachthimmel überm Haupt nicht schon recht bald wieder sternenübersäät zeigen sollte. Mitten in der Coronazeit präsentiert die mittlerweile auf einem Mehrgenerationenhof in der Eifel lebende Mutter und Unternehmerin ihr neuestes Buch: Von jetzt auf Glück. Wiederfinden, was so nah lag. Der Kern: 101 Glückregeln. Und dazu ihr eigenes Glücksmodell. Ein Baum mit Wurzeln der Wahrnehmung, des inneren Friedens und der konstruktiven Denkweise, dem Stamm der Gesundheit und Selbstbestimmtheit, den Blättern der finanziellen Unabhängigkeit, des Erfolgs und der Attraktivität, und dem Saft der Liebe, Freundschaft und Dankbarkeit.

Klingt belanglos, weil allgemeingültig? Dann laden wir Sie ein, selbst aufzubrechen, die „lauen Worte“ loszulassen und sich jedes wieder anzueignen. Pädagogen nennen das Lernen durch Verinnerlichung. Für uns Suchenden ist es das große (Wieder-) Finden.

Wir aus der theo-Redaktion mögen vor allem das Funkeln folgender 10 Staudinger-Weisheitsperlen:

  1. Hab ruhig auch mal! mit dir selbst Mitleid.
  2. Glaube nicht alles, was du denkst!
  3. Die tiefe Gewissheit, dass wir keinen Anspruch auf irgendwas haben.
  4. Du bist mündig, Verhalte dich auch so.
  5. Suche die Liebe überall, nicht nur in deinem Partner.
  6. Sei aus Gewohnheit glücklich.
  7. Sport als Mittel der Selbstbestimmung
  8. Stellen Sie Ihren Scheinwerfe richtig ein
  9. Kreativität führt uns schneller zum Glück, weil sie der Zugang zum eigenen Glück, zum eigenen way of life ist.
  10. Nutze die Kraft der Musik.

 Und möchten ergänzen: Man kann sich zwar allein auf zwei Beinen auf den Weg machen, aber das Gefühl, grundsätzlich gehalten zu werden, weil gewollt zu sein, ist das wohl größte Geschenk, dass man als „Christin und Christ“ machen darf.

Wir wünschen allen, die sich nun ebenfalls auf den Weg machen wollen: Gute Reise!
Ihr seid nicht allein.

Buch:
Nicole Staudinger: Von jetzt auf Glück. Wiederfinden, was so nah liegt.
Droemer Knaur Verlag. München 2021.

Link:
www.nicolestaudinger.de

Der Text ist abgedruckt in:
theo. Das unabhängige katholische Magazin, 2020/05, S. 35-38.

http://www.theo-magazin.de