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In Schönheit sterben

Als Junge will Stephan Maria Alof (55) Priester werden, unbedingt. Dann erkrankt er schwer, das Studium fällt flach, sein Traum zerplatzt. Doch auch ohne Priesterkragen wird er nach eigenen Angaben Gottes Freund. Nach vielen Wegstationen arbeitet er heute als ehrenamtlicher Kirchenvorstand, Bestatter und Gastronom. Von Sven Schlebes.


Jeder Mensch hat die Wahl: Das Leben anzunehmen und was Sinnvolles draus zu machen. Oder seinen Alltag der Verweigerung zu überlassen und im Selbstmitleid zu vergehen. Stephan Maria Alof ist da ganz klar: „Lieber machen statt meckern.“ Und das am besten mit Gottes Hilfe. Es war die Großmutter, die dem 1966 im rheinland-pfälzischen Dermbach geborenen Alof den Blick für den Tod schärfte: „Das Ave Maria, das wir jetzt beten, das ist wichtig, um irgendwann in Friede zu sterben. Du wirst sehen, ich hab bestimmt mal ‘ne gute Todesstunde. Mein Leben lang bete ich dafür.“ Das mit dem Tod hat er nach eigenen Aussagen erst später verstanden, als er mit einem Epilepsie-Anfall selbst auf der Station des Krankenhauses lag: Abitur und Studium: Keine Chance. Nach seiner Genesung wirkte er als Altenpfleger in einem Münchner Heim. Nachts versank er mit den anderen Schwestern und Pflegern im Feierstrom, wie die Jugend ihn liebt.

Stephan Maria Alof ist tiefgläubig- und schwul. Seine Bemühungen, als junger Mann einem Orden beitreten zu wollen scheitern an dieser Tatsache, wie er glaubt. Dann eben ohne Weihe im Dienste Gottes wirken sagt er sich – und dabei das Leben in vollen Zügen verschlingen.

Doch dann kam Aids in München an und legte einen Schatten über die Partynächte . Mit dem Projekt Positiv, einer ambulanten Praxis für an HIV und Krebs erkrankte Menschen, startete er seine Selbständigkeit: beruflich-finanziell, emotional und vor allem geistig. Denn gerade die zahlreichen Begegnungen mit den von Krankheiten gezeichneten Dahinsiechenden sind der Reality-Check für dahingesprochene Allerweltsweisheiten: ob im profanen oder sakralen Sprachgebrauch: „Vom Sterbenden kannst du lernen, was das Dasein wirklich ausmacht.“ Acht Jahre lang betreuen Alof und seine Geschäftspartnerin Frida das Projekt. Dann erkrankte Alof erneut, chronische Schmerzen wurden sein Wegbegleiter. Dennoch war jetzt, nach hunderten von Sterbenden, wieder die Zeit fürs Leben gekommen. Am Beginn des neuen Jahrtausends wechselte Alof die Schmerzpumpe mit dem Zapfhahn. Innerhalb weniger Jahre eröffnete er mit Partnern Ikonen der Szenegastronomie – liebevoll die „bayerische Dreifaltigkeit genannt“. Die Eisdiele Jessas, das Café Maria und die Bar Josef. Hier schöpfte Alof aus dem Vollen. Bis seine Mitstreiterin, beste Freundin und Geschäftspartnerin des Projektes Positiv Frida 2015 an Krebs verstarb. Und das Sterben mit Macht Alofs Aufmerksamkeit forderte.

In seiner Münchener Gemeinde St. Max hatte er schon Trauerfeiern gestaltet. Bis ihn Menschen außerhalb der Kirche baten, Begräbnisses für jene Sterblichen zu übernehmen, denen ein kirchliches Begräbnis verwehrt bleibt. Und solchen, die sich mit den Limitierungen des Beerdigungssystems nicht zufrieden geben wollen: „Billig hergestellte Särge aus Osteuropa , teuer verkauft im Standarddesign. Standardkarten. Standardtexte. Musik vom Band.“ In dieser Zeit traf Alof die Künstlerin und Goldschmiedin Lydia Gastroph. Seit längerer Zeit versuchte sie, Särgen, Urnen und den Räumlichkeiten der letzten gemeinsamen Feier ein modernes und zeitgemäßes Antlitz zu verpassen: Für fühlende, denkende und seelisch empfindsame Menschen des 21. Jahrhunderts. Die zwei wussten: der Tod, das sollte in den nächsten Jahren ihr gemeinsames Projekt werden. Alof beteiligte sich an Gastrophs Bestattungsunternehmen und formulierte den Anspruch an den Übergang vom Leben zum Tod neu: „Am Ende des Lebens sollte keinem ein Standard verpasst werden. Stattdessen soll es um ein Begräbnis gehen, das dem Leben gerecht wird, das den Verstorbenen gerecht wird.“ Und so setzt ihr gemeinsames Unternehmen jetzt den oft despektierlich gebrauchten Sinnspruch „In Schönheit sterben“ um: Von der Floristik über die Musik, die schriftliche Korrespondenz, das letzte Mahl und die letzte Hülle. Alles In Gemeinschaft mit den Hinterbliebenen und, wenn möglich, Handwerkern und Künstlern der Region. Das Begräbnis als cokreatives Bewältigungs-, Feier- und Würdigungsmoment.

Dass das nicht immer einfach ist, weiß Alof nur zu gut. Ein Bekannter hatte im Streit dessen Frau erschlagen und sich danach selbst das Leben genommen. Zurück blieben zwei  gemeinsame Söhne. Und die Bitte: Organisiere für beide die Trauerfeier. Ein Himmelfahrtskommando, wie Alof eingesteht, bei dem auch ihm, dem Profi und Tausendsassa, eigentlich die Worte fehlten: „Da kannst du nur fragen: Warum? Und es bei einer Antwort ohne Worte belassen.“

An Engel, die einen nach oben begleiten, glaubt Alof nicht. Dafür an das Paradies. Die Hölle hält er für menschengemacht und irdisch verankert: „Was gibt es Schlimmeres, als ein Leben ohne Sinn? Das ist die Hölle.“

Über sein bewegtes Leben hat der 55jährige jetzt ein Buch geschrieben: „Do legst di nieda“. Von Särgen, Schnitzeln und Schockstarre der Kirche.“//

Informationen:
Weiss. Über den Tod hinaus
https://gastroph-alof.de

Buch:
Stephan Maria Alof. Do legst di nieda.
Velag bene, 18 Euro

Der Text ist abgedruckt in:
theo. Das unabhängige katholische Magazin, 2020/04, S. 26-28.

http://www-theo-magazin.de