Pfarrer Dr. theol. h. c. Christian Lehnert: Ins Innere hinaus. Von den Engeln und Mächten.
An Engeln und inneren Mächten scheiden sich die Geister. Die einen betrachten sie als wunschbehafteten Kinderglauben und lehnen jegliche reale Existenz ab. Die anderen schwören auf sie und entwerfen Klassifikationssysteme im Sinne der Wissenschaft. Dazwischen, so der Theologe und Dichter Christian Lehnert, liege ein Weg der ungefähren Anschauung, der zwar keine endgültige Gewissheit schenkt, dafür aber innere Verzückung verleihen könne.
Texte, so leicht
Als Poet wählt Lehnert den Weg der beschreibenden Annäherung mit Worten an Phänomene, die sich eigentlich sprachlicher Verfasstheit entziehen. Texte so leicht und flüchtig wie das Gesuchte selbst sind das Ergebnis. Wer fliegen mag, fliegt mit. Wer stehen bleibt, dem zerfließt der Text zwischen den Fingern. Das Haben zählt wenig im Reich der schönen und guten Gedanken. Das Mitbewegen und Bewegtwerden ist alles.
Den Engeln auf der Spur: Eine Erfahrung wert
Als Theologe folgt Lehnert den Spuren von Engelerscheinungen in den Schriftzeugnissen der Bibel: Er sammelt und sichtet. Deutet, ohne einzuordnen. Präsentiert, ohne zu missionieren. Eine sympathische Zurückgenommenheit, die vielleicht seiner eigenen Biographie als Christ in der ehemaligen DDR entspringt. Beständig und gewiss eigene Erfahrungen zu unterbreiten in einer Umgebung, die nur selten die innere Wertschätzung teilt, sich dabei aber nicht ins Missionieren zu versteigen, das ist sein Talent. Wer will, geht mit. Wer nicht, eben nicht.
Das Ergebnis ist ein Prosaband, der selbst wie die Sammlung eines Karteikästchens daherkommt und sich der gewöhnlichen Forderung nach einem roten narrativen Faden verwehrt. Es sind Fragmente einer kreativen Suche und Annäherung, die in ihrer eigenen Transparenz und Leichtigkeit in Kontakt zu treten versuchen. Mit den gesuchten inneren Mächten. Und den Leserinnen und Lesern. Mimetisch nennt das der Linguist. Nachahmen um selbst zu erfahren, was das Gegenüber ist.
So ist Lehnerts Buch ein Buch über himmlische Mächte, es wird selbst zu einer himmlischen Macht für Menschen, die in sich selbst himmlischen Mächten eine Wohnstatt anbieten. Spiegelspiele nennen das Soziologen und Psychologen: Das Eine erkennt sich im Anderen und räsoniert damit. Liebesspiele nennen das die Mystiker.
Die Zwischenseitigkeit der Engel braucht die Diesseitigkeit unserer Existenz als feste Wohnstatt im Hier und Jetzt, um der Jenseitigkeit Ausdruck zu verleihen, sie in ihrer Potenzialität auszuschöpfen und zugleich weiterzuentwickeln. Gott benötigt uns, um zu dem zu werden, was er sein kann. Und wir brauchen Gott, um zu werden, was möglich ist. Und die Engel dazwischen helfen uns beiden beim ermächtigenden Liebesspiel.

Der Text ist abgedruckt in:
theo. Das unabhängige katholische Magazin, 2020/01, S.60.
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