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Trinkt! (Klub Pinot)

Leben will gekostet werden. Bis auf den Grund. Die junge Sommelière Caroline Rita Müsel (31) hat deshalb ihrem modernen Leben in der Online-Welt den Rücken gekehrt und den elterlichen Mutterboden wiederentdeckt. Ihr erstes Produkt, das sie in Zusammenarbeit mit dem Designer Ralf Geutner von Peak Design entwickelt hat: „Nikita“, die zeitgemäße Variation eines Grauburgunders für alle Lebensbetrunkenen des Labels „Klub Pinot“. Und die, die es noch werden wollen.

Wenn es ernst wird, fällt Überflüssiges weg wie Herbstlaub. Das, was bleibt, ist das, was zählt. Ein Leben ohne: nicht möglich. Als der Lock-Down kam, kauften Franzosen Rotwein und Kondome. Deutschlands Speicher quollen über von Nudeln, Mehl und Klopapier. Überleben hier – Genießen dort. Wir sind, wer wir sind. Doch manchmal sind wir uns selbst auch über. Und das ist der Moment, sich selbst neu zu erfinden. Auch wenn das vielleicht heißen mag, zu alten Wurzeln zurückzufinden. Und sie neu zum Blühen zu bringen.

Die Entscheidung der Wahl-Berlinerin: Wein und ein eigenes Label – Klub Pinot

Die Wahl-Berlinerin Caroline Müsel auf jeden Fall hat sich für Wein entschieden und nicht die Nudeln. Und das auf mehrfacher Ebene: Ja zum Leben. Ja zur Leidenschaft. Ja zum Weinberg der eigenen Eltern. Und ja zum Christentum mit seiner betörend-verstörenden Sinnlich-Seeligkeit. Das ist ganz schon viel für jemanden aus der Generation Y, der wir ja gerne ihre Bindungsangst unter die Nase reiben. Gepaart mit Verantwortungslosigkeit und übersteigerter Vergnügungssucht. Müsel ist 31. Aber Müsel ist anders und macht vor, wie das geht mit dem Aufbruch in eine neue Welt, dem Zulassen neuer Kompositionen und dem Fortführen des eigenen Erbes: Kulturell. Persönlich. Wirtschaftlich und spirituell.

Am Anfang war „etwas mit Medien“

Wie viele von uns sogenannten Kreativen hat sie im Studium „was mit Medien“ gemacht und „mit Kommunikation“. Die ersten Berufsjahre folgten als Angestellte eines Onlinehändlers für Mode. Weit weg von zuhause. Der Enge. Der Eintönigkeit. Erhoffte Vielfalt und Freiheit in derneuen Startup-Internetwelt. Das ist gut. Das ist schön. Aber manchmal eben nicht erfüllend allein. Die virtuelle Welt, sie ist bunt und vielfältig. Aber ihr fehlt im Kern das Mark des Lebens, das es auszusaugen gilt bis in die letzten Winkel unseres Gedärms. „Ihr seid die Reben. Ich bin der Weinstock“, versuchte Jesus seinen Jüngern deutlich zu machen. Ohne mich kein ihr: Geist, seelisch, und vor allem auch körperlich. Die sogenannte reale Welt ist kein Fehler. Sie ist gewollt, beseelt, belebt und darf gelebt werden in allen Facetten. Und vor allem: genossen. Mein Fleisch ist euer Fleisch: Vielleicht lieben wir Deutschen ja deshalb so die Nudeln. Auch wenn sie aus Italien kommen. Aber als Jesus Christus bin vor allem auch der Wein, der euch erneut euer zukünftiges Erbe schmecken lässt. Und das ist nicht graue Depression. Sondern Verzückung. Trinkt!

Auf der Suche nach sich selbst

Viele von uns suchen ein Leben lang nach dem, wer und was sie selbst sind. Was sie antreibt. Tief drinnen. Im Herzen. Für Müsel ist klar: Sie ist Geniesserin. Entdeckerin. Liebhaberin schöner Dinge. Und jemand, der das Leben in allen Farben besingt: „Viva la vida“ (Coldplay)! Das klingt banal. Aber es ist dieses innständige Ja zum Leben und zu sich, das sie vielen von uns, die sich in Seminaren und Coachsession auf Purpose-Suche (Haltung/Intention/Sinn) befinden, voraus hat. Sie hat gesucht, rund um die Welt mit ihren Kulturen und Farben, hat rasend schnell gefunden und intensiv erlebt. Und sucht nun nicht mehr, sondern erlebt, anstatt gelebt zu werden. Das schafft Frieden und öffnet das Herz. Für sich und die anderen, das heilig-beseele Andere. Und macht Lust, mitzuwirken in der Welt und ihr Genuss zu schenken.Früher, da wollte Caroline Müsel eigentlich mal Polizistin werden. Schutz vor dem Bösen. Kämpferin für die Gerechtigkeit. Zusammen mit ihrem Bruder durchstreifte sie die elterlichen Weinberge im rheinhessischen Worms. Sonntags Kirche. Alltags Schule. Dazwischen viel spielen. Alles hatte seine Ordnung. Seine Stimmigkeit. Seine Richtigkeit. Schwarzbrotleben.

Lust auf mehr

Doch dann kam der Jazzdance und mit ihm die Lust an der kreierenden Improvisation. Wenn die Lust auf mehr erwacht, dann wird das, was wir kennen, zu eng, zu alt. Nicht mehr meines. Sondern das der Altvorderen. ICH-Werden, eines der tiefsten Geheimnisse der Psychologie, erfordert das Loslassen des ehemaligen WIRs, der heiligen Kommunion. Und sei sie auch noch innig gewesen. Lateiner wissen: Der Rubikon muss überschritten werden, damit das Reich neu angeeignet und belebt wird. Es gibt kein Zurück. Kein Stehen-Bleiben. Das wäre der sofortige Tod. Was zählt, ist das Übersetzen. Es bleibt, was von Herzen mitgegeben wurde. Und das darf wachsen.

Müsels Entscheidung: Flüssiges Gold

Fehler gibt es nicht, lediglich Erfahrungen. Da ist sich Müsel sicher. Und so fiel ihr nach Jahren der virtuellen Laufbahn in den Metropolen der Welt der Schritt zurück auf die mineralhaltige Erde des elterlichen Weinberges nicht schwer. Zu tief saß die Erinnerung an Sommerregenschwaden, strahlende Farben und das Zerfließen des „flüssigen Goldes“ auf der Zunge, wie sie den Wein ihrer Eltern liebevoll nennt. Ohne Reue verließ sie ihre sichere Anstellung und begann die Ausbildung zur Sommelière. Angst? Ein wenig. Aber die Sehnsucht war stärker: Den einst gekosteten (Lebens-)Wein der Eltern, da war sie sich auf einmal sicher, wollte sie weitergeben. Verändert. Verfeinert. Veredelt. Aber immer mit der gleichen inneren Vielfalt, die sie von zuhause kannte.

Ihr eigenes Label: Klub Pinot, ein Co-Produktion von Müsel und dem Designer Ralf Geutner, Peak Design

Ihrem Erstlingsprodukt „Nikita“ aus der Linie Klub Pinot hat sie etwas mehr Spritzigkeit mitgegeben und neue Fruchtnoten zugelassen. Ein neues Miteinander. Ein neues Label. Ein neues Outfit. Eine neue Kommunikationsansprache. Neuer Wein in neuen Schläuchen. Gewachsen auf alter Erde. Präsentiert in neuer Leidenschaftlichkeit.Für den einen einfach ein neues Produkt mit einem neuen Etikett. Wie so viele in diesen Tagen des Turbokapitalismus. Für den wissenden Geniesser ein Türöffner in eine neue Welt.So lässig, intellektuell und sinnlich-amüsant kann sie sein, die neue Welt in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und gelebten Traditionskontinuität. Der Grauburgunder Nikita ist der erst Charakter der Linie. Aber da kommen noch mindestens elf andere, versichert Müsel. Klar, dass alle aus ihrem ganz eigenen Rahmen fallen werden. Ein bisschen. Wie beschwippst. Die 12 Jünger Jesu, das waren ja auch nicht gerade die genormten Alphatiere. Aber sie waren die Geburtshelfer einer neuen Welt. Eben aus der Zeit gefallen. Für Zeitgenossen: Un-Möglich!

Das Leben: Eine Kommunion der Gegensätze

An ihre Kommunion denkt Caroline Müsel gerne zurück. Auch wenn der Tag verregnet war. Den Geschmack der ersten Hostie vergisst sie nie. Eine echte Sensation. Den Geschmack des Weines, früher Eltern und Priestern vorbehalten, den hat sie sich nun zusätzlich in ihr Leben geholt. Selbst ist die (Christen)-Frau. Und angebliche Widersprüche elegant zu einer neuen Selbstverständlichkeit verbunden. Rosenkranz und Meditation. Bibel und Leopardentights. Weihwasser und Weisswein. „Wahre Liebe schmeckst du. Und vergisst sie nie. Das weiterzugeben ganz in unserer Art, das ist wohl die ewige Aufgabe.“ Wenn ihr das mit der Großstadt mal zu viel werden sollte, dann überlegt Müsel in kleines Haus auf einem Weinberg zu ziehen. Ganz in Schwarz. Lebensmaximierung durch die richtige Konzentration. Mit einer Kammer für sich selbst und ihren Hund. Und einer Maria. Weinblattumrankt.Wenn das mal kein neuer Wallfahrtsort wird. Wir werden es sehen. Und schmecken.Willkommen im Club: Prost!

Info:
http://www.klub-pinot.de

https://www.peakyeah.com

Dieser Text ist abgedruckt in: theo. Das unabhängige katholische Magazin. 03/2020, S. 30 – 32.

http://www.theo-magazin.de