Soasig Chamaillard: Das gebrochene Herz
Herzen brechen. Müssen gebrochen werden. Sagen die Frauen und Männer, die sich auf den Weg zu Gott machen und erkannt haben, dass nicht das Heilige und das Leben sie aussperrt. Sondern die selbstgebauten Schutzmauern um das Herz alles auf Distanz hält. Allen voran die Liebe. Genau betrachtet ist es auch nicht das Herz, das bricht. Weder das organische noch das spirituelle. Die sind stark, widerstandsfähig und quicklebendig. Es sind die Mauern, die brechen. Heinrichs Herzensbande, als aus dem Frosch wieder ein Prinz wurde. Geküßt, geworfen und geliebt von der schönen Prinzessin.
Brechen und gebrochen werden ist ein Bestandteil des Lebens. Manchmal schmerzvoll. Manchmal tödlich. Manchmal befreiend. Und im künstlerischen Sinne sogar erschaffend.
In Japan zum Beispiel gewinnen gebrauchte Gegenstände an Wert und Bedeutung. Gebrochenes Porzellan wurde in der Vergangenheit mit Gold oder Silber gekittet und so spirituell und materiell wertvoller. Kintsugi nennt sich die dahinter stehende Philosophie – die goldene Verbindung.
Das mit dem Gebrochen-Werden, davon kann die französische Bildhauerin Soasig Chamaillard ein Lied singen. Mannigfach. Liebestränen. Enttäuschungstränen. Schmerzenstränen. Gottes Wege sind unergründlich, heißt es. Steinige insbesondere. Jahrelang wollte Vieles nicht so recht klappen in Chamaillards Leben. Vor allem ihre Selbständigkeit als Designerin nicht. Gut ausgebildet wartete sie vergeblich auf Kunden.
Und wartete. Und wartete.
Irgendwann kam ihr Papa vorbei und brachte ihr eine Madonnenfigur aus Gips vorbei. Einfach so. Sie war in die Jahre gekommen. Teile waren abgebrochen: „She was badly damaged.“
„Ich hätte sie reparieren können. So wiederherstellen können, wie wir sie alle kennen. Aber ich wollte eine moderne Form der Madonna, wie sie in unsere Zeit passt.“ Sie schaute sich um nach dem, was unserer Kultur wichtig ist, sozusagen am Herzen liegt, und fusionierte dessen Form mit der durch die Jahrhunderte geronnene Marienform der Kirche.
Die Madonna „Sainte Geisha“ war geboren. Es folgten Madonnen in Superheldenkostüm, im Kali-Look, Pony-Madonnen. Miss Madonna, Monster-Madonnen, Tier-Madonnen.
Irgendwie sei es natürlich religiöser Kitsch, bekennt Chamaillard, aber einer, der ihr Herz berühre. Und das anderer Menschen. Ihre Ausstellungen in der kleinen Galerie Albane in Nantes waren und sind schnell ausverkauft. Aber eben auch ein wenig skandalumwittert. 2011 erhoben zahlreiche Katholiken ihre Stimme, verwiesen auf die Verletzung ihres eigenen religiösen Herzens durch die blasphemischen Arbeiten und forderten den Stopp der Arbeiten. Das wiederum verletzte Chamaillard so sehr, dass die Künstlerin seitdem die Öffentlichkeit weitgehend meidet. Und vorsichtig ist im Kontakt mit christlichen Institutionen und Medien.
Manche in der Kunstszene feiern sie als neue spirituelle Pop Art – Künstlerin. Eine, die das Bildverbot der Christentums karrikiere, das klägliche Festhalten an der äußeren Form persifliere und die Verweltlichung des menschlichen Herzens ikonisiere. Andere sind fasziniert von der kulturellen und religiösen Transformations- und Fusionsarbeit, die sie leiste.
Das ist viel, was die zierliche Chamaillard da trägt und mit ihr die vielen bunten Madonnenfiguren, die sie wie Michel aus Lönneberga seine Holzfiguren im Künstlerschuppen aufreiht zu einem Meer aus Göttlichkeitsgebärerinnen. Himmelsmüttern. Unendlich vielen Möglichkeiten und Momenten, das Heilige auf der Erde zur Erscheinung zu verhelfen.
„Alles, was ich wollte, ist, etwas zu tun, das mich berührt. Und die Dinge wieder zurecht rückt. Zuerst das Herz. Dann den Kopf.“
Und so trägt ihre jüngste Madonna das Herz nicht ikonenüblich auf der Brust, sondern dort, wo sonst der Kopf trohnt. Über den Schultern.
Der Kopf darf sich derweil in der Brust hinter dem Himmelgewand entspannen.
Gibt es einen schöneren Hinweis an alle Besserwisser und Eiferer der Religionen und Kirchen dieser Welt?
Entspannt euch.
Nur mit dem Herzen sieht man gut und die Welt und die Heiligkeit in ihrer bunten Vielfalt.
Sie ist: Wunderschön bizarr.
Info:
Dieser Text ist abgedruckt in: theo. Das unabhängige katholische Magazin. 5/2018.
http://www.theo-magazin.de