Es ist Liebe
Stephan Porombka
Es ist Liebe. Hanser Verlag. Ca. 16 EUR.
Rot ist die Liebe, die zog in mir ein, singt der Volksmund.
Rot ist die Liebe, wild und nicht tot, behauptet Stephan Porombka, Zeitautor, Internetkünstler und Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der Berliner Universität der Künste und schleudert allen Zeitgeistdepressiven ein glühendes Romantikplädoyer entgegen: „Es ist Liebe“!
Was auf den ersten Blick klingen mag wie das nostalgische Bekenntnis zu einer in der Bedeutungslosigkeit versinkenden politischen Bewegung nämlicher Couleur entwickelt schon auf den ersten Seiten mächtig Geschwindigkeit: Zeig mir die, die reflexhaft an der neuen Technik verzweifeln und den Untergang der Kultur und mit ihr der romantischen Liebe beschwören und frage sie, ob sie mitmachen im großen Spiel der elektronischen Kommunikation. Oder ob sie nur am Rand stehen und meckern. Schnell entlarvt Porombka das Gejammer der selbsternannten Kulturhohepriester und Möchtegernromantikern als Angst vor der Zukunft, einem Spiel mit Technik, die sie nie verstehen werden, einer Sprechfähigkeit, die sie nie besaßen, einer kreativen Ausdruckskraft, die sie nur vom Hören-Sagen kennen und einer Emotionalität, die sie niemals wirklich erfüllt hat.
Das Smartphone ist der Tod des Liebesbriefes mag der Schlachtruf selbsternannter Kulturbewahrer sein. Porombka zeigt: Das Smartphone ist das Eintrittstor für ein nie gekanntes Spiel einer aufbereiten Selbst-, Gefühls- und Beziehungsvergewisserung. Und wir sind mitten drin und damit die wahren Romantiker, die sich nie mit der Beschwörung der großen Liebe zufrieden gaben, sondern immer auch mit den aktuellsten Möglichkeiten künstlerischer Ausdrucksfähigkeit spielten. Süchtig nach Selbsterfahrung im Angesicht des Anderen und des Mediums – emotionaler, struktureller und natürlicher Art.
Wer Porombka liest, dem fällt es wie Schuppen von den Augen. Verklebt von der Angst einer Gegenwart vor alles und jedem, das nicht so ist wie ich selbst. Und zugleich ohnmächtig verloren im Übergang zu einem neuen Morgen, der zwar stets auf Kalenderblättern und Sonntagsreden beschworen aber nie am eigenen Leib befriedigend und erhebend erlebt wird.
So einfach ist das. Auch ich bin mitten drin, kreiere Liebe neu mit. Schicke Bilder, sende Audioaufnahmen verzückter Atemstöße, ändere nur leicht das Wording für meinen sexuellen Appetitanreger und erlebe den Outburst eines neuen Ichs in permanenter Austauschbewegung.
Kunst kennt keine Angst, lässt Jonathan Meese aktuell seinen Mondparsifal singen. Kunst ist totale Liebe. Und wenn du, geneigter Leser, gleich zum Smartphone greifst, weil ein akustisches Signal einer deiner zahlreichen Apps deine Aufmerksamkeit vom Papierdiskurs löst, seid dir gewiss.
Auch du, Brutus, bist ein Liebeskünstler.
Zu es.
Der Artikel wurde unter dem Titel „Alles Liebe“ in der Theo-Ausgabe 03/2018 abgedruckt. Sie können sich die Ausgabe hier bestellen: https://www.theo-magazin.de