Die Frau im Haus
Irgendwann lag es auf dem Küchentisch. Das goldene Buch der Frau. Ein Buch der modernen Lebensführung. Meine Mutter hatte es im Keller gefunden. Vor fast 50 Jahren hatte sie es von ihrem Vater geschenkt bekommen. Ein Kompendium für den Alltag. Der ultimative Guide, um alles richtig zu machen im Eheleben, in der Kindeserziehung und in der Mutterschaft.
Als wir es durchblätterten, haben wir Tränen gelacht. Allen voran meine Mutter. Die Tischdecke mit Knick, der richtige Braten im Ofen, die Ehehygiene. Der Herr im Haus. So einfach konnte das Leben sein. Damals. Im Haus. Man wusste schließlich, was richtig war. Und was nicht.
Jetzt ist Herbstanfang. Unser Leben ist bunt. Nicht golden. So wie das Leben früher auch. Heute stehen wir dazu. Und das ist gut so. Schließlich hat Gott den Menschen ja auch einen Regenbogen als Zeichen seines Versprechens gemalt. Und nicht ein goldenes Tor.
Aus „richtig“ und „falsch“ ist eine Geschichte mit vielen Wahrheiten geworden. Ein bisschen Fake, ein bisschen Show, ein bisschen Theorie. Deshalb wir auch nicht mehr das Buch. So sehr es auch schmerzen mag. Und schon gar nicht mehr für die Frau. Denn die gibt es nun schon wirklich lange nicht mehr. Und wenn wir ehrlich sind, gibt es das Haus, in dem sie wirken sollten, auch nicht mehr.
Am traurigsten darüber scheinen wir Männer zu sein. Weil es uns Männer damit auch nicht mehr gibt. Mögen die Revival-Autokraten der Welt noch so wild in ihren selbst gebastelten Uniformen auf den Bühnen dieser Welt umherlaufen.
Denn Frauen schauen heute lieber Frauen zu. Ob als Topmodelkandidatin, Bachelorauserwählte oder Presseballgast. Besonders beliebt ist dabei mittlerweile die Bilderschlacht in den sozialen Medien. Frauen, die ihren Fitnesserfolg im Bikini darstellen. Frauen, die anderen Frauen Röcke herunterziehen. Frauen, die sich gegenseitig auf die Vulva schlagen. Frauen, die die Schleimspur in ihren Höschen vergleichen. Frauen barbusig als Selbst-Kunstobjekt für Frauenrechte. Frauen im Camel-Toe-Look. Und wahnsinnig viele Frauen, die einfach nur wahnsinnig gut aussehen und wahnsinnig weise Sprüche schreiben. Weil sie einer der wahnsinnig vielen Coaches geworden sind. Oder Mentoren. Oder einfach nur Lebensberater.
Soweit, so stereotyp, so einfach, so bubbleblasig.
Meine Wirklichkeit ist anstrengender. Hier werde ich von Frauen jeden Tag gefordert. Bei der Kindererziehung, beim Sex, im Job, in der Liebe, in der täglichen Begegnung. Die meisten von ihnen machen einfach einen unglaublich guten Job. Ohne, dass sie darüber reden. Sie machen es einfach. Weil sie ein unglaublich gutes Gespür haben. Tief unter der Angst.
Das goldene Buch, das wäre heute eher etwas für mich. So was Niedergeschriebenes, Handfestes. Was mit Regeln und so.
Auch wenn ich weiß, dass das Leben bunter ist als die goldenen Regeln. Mal schauen, was meine Coachin dazu sagt.
// theo. Katholisches Magazin. Ausgabe 04/2017
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