Abgedruckt in theo. Katholisches Magazin 05/2014.
»Ich bin das Licht«, sprach Jesus Christus und versprach das Ende der Dunkelheit. Ein Gebot gab er uns mit auf den Weg: »Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.« Dann ging er und seither mühen wir uns mit dem, was wir für Liebe halten. Doch die Dunkelheit blieb. 1600 Jahre später war der Philosoph Descartes sicher: »Ich denke, also bin ich«. Der Satz bereitete dem kühlen Licht der Aufklärung das Feld. Es ist höchste Zeit, das Lebens der reinen Vernunft um die Fähigkeit des Liebens zu ergänzen. theo hat sich auf den Weg gemacht und ist 10 Schritte vorausgegangen.
10 Schritte auf dem Weg zur Liebesfähigkeit:
1.
Akzeptiere, was ist, du bist Teil von allem.
Wir Menschen suchen Orientierung und teilen die Welt in Schwarz und Weiß. Urteilen und verurteilen. Das erlaubt der Angst, sich zwischen uns und die Welt zu stellen. Das Ergebnis: Wir fühlen uns allein. Doch die Nabelschnur, die uns mit der Schöpfung und Gott verbindet, war nie durchschnitten. Wir haben sie nur nicht mehr gespürt, so wie uns selbst. »Ja« zu sagen ist der einzige Weg, um etwas zu verändern und anzukommen.
2.
Lieben heißt Brücken bauen. Baue aktiv deinen Teil. Die anderen bauen ihren.
Gott liebt bedingungslos. Wir dürfen uns anders entscheiden, es ist unser freier Wille. Es liegt an uns, das Brückenkunstwerk der Begegnung zu vervollständigen und Liebe auch in unserem Leben möglich zu machen. Das gilt vor allem für die Beziehung zwischen mir und allem anderen, was ist. Einer muss anfangen und einfach losgehen. Warum nicht du?
3.
Bekenne dich zu dir und liebe dich selbst. Dein Ja zu dir wird zum Ja zur Welt.
Für eine Mutter ist die Liebe zu ihren Kindern etwas Natürliches. Für den Vater ist die Liebe schon komplizierter. Es beginnt mit einem Bekenntnis zu sich selbst. Um dann Ja sagen zu können zum zum Kind. Es ist mehr als ein Ja. Es ist vor allem ein Versprechen: Ich stehe zu dir. Weil ich zu mir stehe. Und nicht wanke. Dieses Bekenntnis hält einen Raum auf, in dem Liebe wachsen kann.
4.
Stirb bevor du stirbst. Was du liebst, bleibt. Alles andere geht.
Die Begegnung mit dem ganz anderen braucht den Mut, sich selbst zu verlassen und Neues zu entdecken. Wirkliche Begegnung bedeutet nicht nur Offenheit und Verletzbarkeit, sondern Verwandlung. Sie setzt einen Wachstumsprozess in Gang, weil Liebe das Beste in jedem zur Entfaltung bringt. Wahre Liebe führt in die Tiefe des Lebens, fordert ständiges Loslassen und Neuwerden. Sonst stirbt sie. Stirb, bevor du stirbst, und werde frei für die Liebe.
5.
Ziehe dich zurück und beginne dein Alleinsein zu genießen. So wirst du vollständig und fähig zu lieben, ohne den anderen zu brauchen.
Wir tun uns zusammen aus Angst vor Einsamkeit. Oder weil wir vom dem anderen haben wollen, was uns selbst fehlt. So geht das Spiel der Unfreiheit. Liebe ist etwas anderes, Liebe will stark machen und frei. Liebe ist der Weg aus dem engen Haus des Ich in die Weite des Wir. Sie erfordert Mut zur Reife Nur so kann eine Begegnung auf Augenhöhe gelingen, wie es den Autoren des Hohelied Salomos vorschwebte.
6.
Du bist wertvoll. So wie der andere auch.
Liebe kann berechnend sein, sie fragt nach dem eigenen und nach dem Wert des Liebesobjektes. Sie vergleicht, bewertet und qualifiziert. Dahinter steckt das Bedürfnis, sich von anderen abzugrenzen und einen Nutzen zu ziehen. Ein wertvolles Leben lässt sich so nicht führen, aus einem reichen Herzen wird schnell ein kleinliches, ohne Raum für das große Wunder. Liebe ist, und ich darf sein wie ich bin.
7.
Liebe und tue, was du willst Die Angst, Fehler zu machen lähmt uns.
Liebe sagt: Aus Fehlern folgern Erfahrungen, auch Liebe ist lernbar. Erich Fromm sah in der Kunst des Liebens die große Aufgabe des Menschseins und griff damit das Liebesgebot Jesu Christi kreativ auf. Gott liebt jeden von uns auf seine eigene Weise. Wie können wir da glauben, dass es die eine Liebe gibt, deren Formen und Rituale wir zu folgen haben? Liebe will, dass wir unsere eigene Art zu lieben entdecken.
8.
Verliere. Leide. Empfinde Schmerz. So wird dein hartes Herz weich und fähig, die große Liebe zu gewinnen.
Niemand kann heilig werden ohne zu leiden, wusste der Schriftsteller Evelyn Waugh, und heilig meint »liebend«. Es gehört zum Wesen der Liebe, dass sie vor Schmerz nicht schützt, sondern ihn sogar ermöglicht. Sie führt uns in die höchsten Höhen und die tiefsten Tiefen, sie will uns weiten. Die Sufis glauben, dass Liebesschmerz ein hartes Herz weich macht und empfänglich für die wahre Gottesliebe. Wir haben viel zu verlieren. Viel zu vergeben. Und alles zu gewinnen.
9.
Gib deine Pläne und deine Berechnungen auf. Tue, was du liebst, und liebe, was du tust. Du wirst belohnt. Ganz sicher.
Liebe ist das krasse Gegenteil zu unserer Kultur der Selbstkontrolle und Selbstoptimierung. Sie lässt sich mit dem Verstand nicht erfassen, ihre Logik folgt den Gesetzmäßigkeiten des Herzens und nicht den Algorithmen der Zahlen. Bei ihr gibt es kein gemäßigtes Engagement, sondern nur ein Ganz oder Gar nicht. Liebe ist Hingabe. an das Leben. Ein liebendes Herz speist sich aus einem Raum, der nicht manipulierbar ist, sondern nur über die Liebe selbst betreten werden kann.
10.
Lass alle Gedanken fahren und Ruhe in deinem Inneren einkehren. Die Liebesflamme ist kein verzehrender Höllentopf, sondern klares und friedenschenkendes Bewusstsein.
Ein Kind wächst – wenn alles gut geht – in einem natürlichen Zustand der Liebe auf. Es denkt nicht über sie nach, nicht über sich nach. Es lebt und entfaltet sich. Um Liebe entwickeln zu können, muss es ein Bewusstsein entwickeln für sich und die Welt, für den anderen. Liebe ist klares Da-Sein im Augenblick, ohne Flucht in die Gedankenwelt oder Verliebtheitsgefühle. Liebe öffnet einen tiefen Raum, in dem Frieden ist.
Foto: (c) David Olkarny.