Ein Leben in Schwarz-Weiss
>> Originalfassung des Textes „Ein Leben in Schwarz-Weiss“ für die Serie „Die großen Orden“ im Magazin „THEO„. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
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Der Glaube ist nichts für Unentschiedene. Denn wer die Verbindung zu Gott will, ist als Mensch in seiner Ganzheit gefordert. Damit trennt der Glaube und macht gleichzeitig einen Unterschied: zwischen einem Menschenleben mit und ohne Gott. Das klingt nach einem Weg in Schwarz-Weiß, ist aber eine Voraussetzung für Erneuerung: Seit jeher ist dies der Weg der Dominikaner. Gesellschaftlich nicht unumstritten. Aber immer streitbar für die Sache des Herrn.
Von Sven Schlebes
Der Ruf nach einer Erneuerung der Kirche ist so alt wie das Christentum selbst. Wer weiß das besser als die Angehörigen sogenannter Reformorden wie dem Dominikanerorden, die in den dunklen Zeiten der Kirche das Licht der irdischen Welt erblickten, um ein lebendiges Zeugnis für die Botschaft der jenseitigen Welt und damit das wahre Licht zu sein. Und immer sind es ähnliche Zeitzeichen, die auf eine Erneuerung der Botschaft, des Glaubens und der Institution Kirche verweisen: Eine wahrgenommene Entfremdung von Kirchenoffiziellen und Gläubigen, mangelndes lebendiges Zeugnis Christi durch irdisch verstricktes Leben und das Aufkommen neuer Spiritualitätsformen und Glaubensgemeinschaften. Im 12. Jahrhundert waren es die Katharer (auch: Albigenser), die in einer Zeit der Wirren und Not vor allem bei den Bauern, Handwerkern und einfachen Stadtbürgern in Frankreich und Spanien erfolgreich wirken konnten. Sie holten, wie wir es heute ausdrücken würden, die Suchenden auf Augenhöhe in ihrer Lebenswirklichkeit ab: Als bettelnde Männer und Frauen wanderten sie zu Fuß und in kleinen Gruppen von Ort zu Ort. Armut, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit waren ihre Begleiter auf dem Weg zum Guten. Damit bildeten sie in der Welt des Hochmittelalters einen krassen Widerspruch zum Lebensmodell vieler Kirchenmänner und wirkten als Botschafter Christi glaubwürdiger als die vielfach ungebildete und auf Kirchenpfründe bedachte Geistlichkeit.
Als Dominikus, der Gründungsvater des späteren Ordens, 1170 in Kastilien geboren wurde, waren die Katharer mit ihrer Arbeit bereits so erfolgreich, dass Rom ernsthaft um seine Glaubensvorherrschaft in Spanien und Frankreich fürchten musste. Papst Innozenz III. beauftragte den Zisterzienserorden mit der Reevangelisierung – ohne nennenswerten Erfolg. Bis der bereits erwachsene und ordinierte Dominikus zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf einer seiner Reisen durch Südfrankreich visionsartig verstand, warum die Kirche keinen Weg mehr zu den Herzen der Menschen findet: Er sah die Zisterzienserlegaten hoch zu Ross in kostbare Gewänder gekleidet und die Katharer in Armut umherwandern. Heute hieße das Urteil: Die katholische Kirche litt allem Anschein nach an einem sichtbaren Authentizitätsdefizit. Das Leben Christi und das Leben der Kirche standen sich gegenüber wie die Farben Schwarz und Weiß.
Der Überlieferung nach sah die Mutter von Dominikus vor seiner Geburt im Traum einen schwarz-weißen Hund, der mit einer brennenden Fackel um die Welt lief; dies wurde als Hinweis auf die göttliche Redekunst des Knaben gedeutet, die einst die ganze Welt erleuchten sollte. Und tatsächlich fand Dominikus nach seiner Vision seine innere Berufung: Als Bettelmönch in täglicher Kontemplation dem Herrn in der Anschauung direkt zu begegnen und so beseelt die Menschen wieder für die wahre Botschaft Christi zu gewinnen. Denn nur wer im direkten Kontakt mit Jesus Christus stünde, könne ein lebendiges Beispiel für die frohe Botschaft sein. Damit setzte Dominikus bewusst die innere Arbeit vor die in den kommenden Jahren für den Dominikanerorden immer wichtiger werdende akademische Schriftarbeit und ermahnte die kleine Schar seiner Mitbrüder, täglich »mit Gott und von Gott zu sprechen« und das Evangelium in der Verkündigung, dem Gebet, der Eucharistiefeier und der Meditation zu suchen und zu verwirklichen. 1207/1208 gründete er in Prouille ein Kloster für bekehrte Katharerinnen und begann parallel zum bereits laufenden Katharerfeldzug des Papstes, allein durch sein tägliches Lebensbeispiel Menschen für die Kirche zurückzugewinnen. Ein schwieriges Unterfangen, standen doch die weltpolitischen Zeichen auf Sturm: Entschlossen befreite der päpstliche Heerzug unter Simon IV. de Montfort Stadt um Stadt von den Katharern und verteilte die politische Macht neu. Wo auch immer Dominikus hinkam: Er betrat Kriegsgebiet und fand körperlich erschöpfte Menschen vor. Um ihnen helfen zu können, erweiterte er seine Kontemplationsarbeit um Gesten und Körperhaltungen, die bis heute ein Beispiel leiblichen Betens in der christlichen Tradition darstellen. Für den Aufbau seiner eigenen Gemeinschaft übernahm er 1215 nach der offiziellen Anerkennung als Orden durch Bischof Fulko von Toulouse zusätzlich das feierliche Chorgebet, die Augustinerregel und gab seinen Brüdern die Weisung, sie sollten »als Männer des Evangeliums, die den Spuren ihres Erlösers folgen, mit Gott und von Gott sprechen, untereinander und mit den Nächsten« (Satzungen von 1220). Schnell wurde Dominikus bei seinem »Kampf gegen die Häresie« klar, dass die reine Kontemplation für die meisten seiner Brüder nicht ausreichte, um im täglichen Seelenwettstreit bestehen zu können. Essenziell wurde ein ergänzendes Schriftstudium, um den bibelerfahrenen Katharern begegnen und das Charisma des eigenen Ordens, die Predigt, entflammen zu können. Das sollte in den kommenden Jahrhunderten in ein generelles Studium der Welt einfließen und den Dominikanerorden als Gemeinschaft der Gelehrten in der katholischen Familie berühmt machen.
Vor allem junge Männer aus den Städten fanden Gefallen an dieser revolutionären Mischung aus Kontemplation, Studium, Predigt, Leben in apostolischer Armut und demokratischer Verfassung der Ordensgemeinschaft (gemeinschaftliche Verantwortung aller Brüder für das Ordensleben), so dass Dominikus schon am Fest Mariä Himmelfahrt 1217 seine Brüder nach Paris und Spanien entsenden konnte, um neue Konvente zu gründen. Bereits 1220 zählte der Orden über 60 Niederlassungen in Europa und konnte seine erste Generalversammlung abhalten. Ein enormer Erfolg für eine so junge Bewegung, die allerdings ein Jahr später ihren Gründer im Alter von nur 51 Jahren verlor. Es war im Jahr 1244, als der Sohn eines italienischen Grafen gegen den Willen seiner Familie in den Orden eintrat: Thomas von Aquin sollte später die europäische Geistesgeschichte prägen wie kaum jemand sonst, die scholastische Theologie des späteren Kirchenlehrers in der gotischen Architektur seinen Ausdruck finden.
Geh und bete, und Gott wird vorsorgen. (Heiliger Dominikus)
Die größte Wohltat, die man einem Menschen erweisen kann, besteht darin, dass man ihn vom Irrtum zur Wahrheit führt. (Heiliger Thomas von Aquin)
Der Orden hatte sich gewandelt und stabilisiert. In Schwarz als Zeichen der Buße über der Freudenfarbe Weiß gekleidet, verkündeten die Brüder nun nicht mehr als Kanoniker-, sondern als Bettelorden sui generis mit Feuereifer das Wort des Herrn. Und das so sprichwörtlich, dass viele von ihnen für den Dienst in der Inquisition nutzbar gemacht wurden: Als Domini canes (Hunde des Herrn) wirkten sie fast das gesamte Mittelalter hindurch sowohl als spirituelle Mystiker wie Meister Eckhart, als Predigerund Inquisitoren im Kampf gegen die Katharer, die kircheninterne Häresiebewegung als auch im Rahmen der später einsetzenden Hexenverfolgung. So führten vor allem bedeutende Dominikanerinquisitoren wie Bernard Gui († 1331), Walter Kerlinger († 1373), Tomás de Torquemada († 1498), der erste Generalinquisitor der Spanischen Inquisition, oder Heinrich Kramer, der Autor des Hexenhammers, die ursprünglich lichtvoll entsonnene Arbeit des Ordens zeitweise in die Dunkelheit: Ein Stigma, das den Orden trotz intensiver geschichtlicher Aufarbeitung bis heute verfolgt. Noch heute führt er das Lilienkreuz im Wappen, ein ursprünglich der Inquisition zugeordnetes Symbol auf schwarz-weißem Grund. Die über 6.000 ordinierten Dominikaner und 30.000 caritativ-tätigen Schwestern sind sich all dessen bewusst. Doch aus den ehemaligen Hunden des Herrn (Volksmund) sind mittlerweile starke Anwälte der Gerechtigkeit geworden, die weltweit für die Befreiung des Menschen aus seiner irdischen Unmündigkeit arbeiten und ihre enorme spirituelle und geistige Kraft aus der Katechese in nichtchristlichen Kulturen und einer tiefen Kontemplation beziehen. Ganz im Geiste des Dominikus wollen sie mit allen modernen Werkzeugen der Kommunikation Licht in die Dunkelheit bringen und die Herzen der Menschen für eine erneute Wiedereinkehr Jesu Christi öffnen. Eine Aufgabe, die nicht ohne Widerstand zu erfüllen ist. Aber die Begegnung der Gegensätze haben die Dominikaner schließlich noch nie gefürchtet.
Weder in schwarzen Zeiten, noch in weißen. //
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Bücher
Thomas Eggensperger, Ulrich Engel: »Dominikanerinnen und Dominikaner: Geschichte und Spiritualität.« 2010.
William A. Hinnebusch: »Kleine Geschichte des Dominikanerordens«, 2004.
Ign Lamatsch: »Beiträge zur Geschichte des Dominikaner- oder Predigerordens in allen Ordensprovinzen«, 2011.