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Der Narr des Herrn – Franziskus

Das Niedere suchen, um das Höchste zu finden: Das ist der Weg der Minoritenbrüder-Orden, deren Grundstein Franz von Assisi im 13. Jahrhundert legte, um gemäß dem Evangelium in direkter Nachfolge Christi zu leben. Was so einfach klingt, bedeutet das Schwierigste überhaupt. Den Weg der totalen Umkehr von sich und der bekannten Welt. Die Franziskaner gehen ihn immer noch. Sie gehen ihn in Sandalen und hinterlassen dabei große Spuren gelebten Christentums.

Von Sven Schlebes. Abgedruckt in Theo. Katholisches Magazin.
Foto: (c) Wikipedia

Kein Orden weltweit genießt so viel Respekt, keiner ist so stark geprägt von seinem Gründer wie der Franziskanerorden. Dabei wollte Franziskus ursprünglich keinen Orden schaffen. Seine Mission war die Nachahmung des Lebens Jesu Christi gemäß dem Evangelium – sine glossa, ohne aufgesetzte Deutung. So einfach. So radikal. So erschütternd. Sein eigenes Leben war für viele Zeitgenossen des Hochmittelalters so sehr Beispiel, dass sich Gleichgesinnte mit ihm auf den Weg machten, um Frieden und Segen (Pax et Bonum, die Grußformel des Heiligen) zu finden und weiterzugeben. Endlich ein starkes Zeugnis gelebten Glaubens! 1210 bestätigte Papst Innozenz III. den von Franz ins Leben gerufenen Orden der Minderen Brüder, einen der großen vier Bettelorden des Mittelalters und das Herz weiterer Gemeinschaften wie der Kapuziner, der Klarissen und Amigonianer, die sich als aktiven Teil der Franziskanischen Gemeinschaft verstehen. Eine Familie, die durch ihre gelebte Spiritualität und ihr Armutsideal zu allen Zeiten große Anziehungskraft auf Menschen ausübte – und zugleich durch das Absolute ihres Gründers, Franz von Assisi, ebenso viele verschreckte: Denn der Weg der armen Brüder und Schwestern erfordert die Überwindung des Egos, die totale Hingabe an Gott. Das scheint für die meisten Menschen übermenschlich, nicht lebbar. Oder, wie die Bayern es ausdrücken: »Franz is koaner.«
Wer war dieser Franz, der von so vielen Menschen aus allen Religionen als »Heiliger Narr«, als »Bruder«, als »Schamane« verehrt wird und was kennzeichnet seine Spiritualität?
Wie so viele große Gottessucher in allen Religionen hatte auch Franz zwei irdische Leben. Eines als Sohn wohlhabender leiblicher Eltern und ein zweites in Jesus Christus. Als Giovanni kam er 1181/1182 in der umbrischen Stadt Assisi auf die Welt. Sein Vater, ein wohlhabender Tuchhändler und angesehener Bürger der Stadt, hatte große Pläne mit ihm: Gut ausgebildet sollte der nach einer Frankreichreise fortan Franziskus (Francesco) genannte einmal werden wie er, durch Handel die Ehre der Familie mehren. Doch das kriegerische Hochmittelalter hatte anderes mit Franziskus vor: Als Soldat wurde er gefangen genommen, innerlich gebrochen kehrte er nach Hause zurück. Sein Traum war dahin, als Ritter für Ehre und Vaterland zu kämpfen. Wo war der neue Halt? Auf der Suche danach schloss er sich 1205 papsttreuen Truppen erneut zu einem Kriegszug nach Süditalien an. Während der Reise wandte sich Gott an ihn in einem Traum und rief ihn auf, sich in seinen Dienst zu stellen. »Wer kann dir Besseres geben? Der Herr oder der Knecht?« Franziskus brach mit seinem alten Leben. Er suchte die Einsamkeit, die Antworten auf all seine Fragen.

Wer mag nachzuvollziehen, was er in sich fand, wer möchte sich seine inneren Kämpfe vorstellen? Einfach zu haben war sie gewiss nicht, die Erkenntnis, dass da keine Wahrheit ist außerhalb der Liebe – in ihren vielen Ausprägungen.
1205 ging er auf eine Wallfahrt nach Rom, mit einem Bettler am Wegesrand tauschte er seine Kleidung, die braune Kutte war jetzt sichtbarer Ausdruck seiner Entschiedenheit, fortan ein Leben in Armut zu führen. Während eines Gebetes in San Damiano, so die Überlieferung, sprach Jesus Christus zu ihm: »Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät.« Er gehorchte, als er jedoch mit dem Geld seines Vaters das Baumaterial für die zerfallende Kapelle besorgte, kam es zum endgültigen Bruch zwischen Vater und Sohn. Franziskus ergab sich, ein für allemal und ganz und gar: Gott. »Bis heute habe ich dich meinen Vater genannt auf dieser Erde; von nun an will ich sagen: Vater, der du bist im Himmel.«

Von da an gab es kein Zurück mehr, und es war die Liebe zur Schöpfung, zu den Menschen, also letztlich zu Gott, die jetzt sein Leben bestimmte. Franziskus wusste: Mit den Verlockungen der Welt geht das nicht zusammen, so zog er als Einsiedler vor die Stadtmauern und begann sich um die Aussätzigen zu kümmern. Grundlage für sein eigenes Selbstverständnis der Imitatio Jesu Christi war dabei eine Passage aus dem Matthäus-Evangelium: »Geht aber und predigt […] Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch. Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Reisetasche, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stecken.«
(Mt 10,8–10)

Die Menschen um ihn wunderten sich, viele sahen weg, andere folgten ihm. Es war im Jahre 1212, als die junge Klara, Tochter einer wohlhabenden Adelsfamilie, Franziskus predigen hörte. Sie schloss sich ihm an, später sollte sie sogar einem eigenen Orden vorstehen (theo berichtet in der kommenden Ausgabe).
Im selben Jahr entstand das erste Franziskanerkloster in der Toskana: Convento di San Francesco bei Cetona, heute Frateria die Padre Eligio. Als offiziell vom Papst anerkannte Buß- und Wanderprediger unterstellten Franziskus und seine Anhänger sich von Anfang an der Gemeinschaft der katholischen Kirche und entgingen so dem Schicksal vieler Armutsbewegungen des Mittelalters, die als Häretiker verfolgt wurden.
Der kleinen Bruderschaft eilten zahlreiche Legende voraus. Von Dorf zu Dorf erzählte man sich die Geschichten von Wunderheilungen, von »dem Mann, der mit den Tieren und Bäumen spricht«, der furchtlos sich einsetzt für Arme und Kranke.

Franziskus Vertrauen in Gott war so groß, dass er sich während eines Kreuzzuges 1219 in Palästina selbst mit dem Sultan Al-Kamil traf, um ihn zu bekehren und vom Kriegszug gegen die Christen abzuhalten. Das Bekehrungsvorhaben misslang, aber tief beeindruckt vom Mut des jungen Mannes ließ der Sultan die Franziskaner unbehelligt vom Schlachtfeld ziehen.
Für Außenstehende ein Wunder. Für Franziskus Ausdruck eines Verständnisses von der Welt, die nicht Umwelt ist, sondern Mitwelt. Und damit systemischer Bestandteil des eigenen Ich: Eine Trennung existiert nicht mehr, der andere, das bist du selbst. Und die Tiere, die Pflanzen, die Gestirne sind deine Brüder und Schwestern. Ausdruck dieser mystischen Welthingabe: der berühmte Sonnengesang des Franziskus, in der er die Verbundenheit mit der Schöpfung in Christus feiert.

Als Franziskus 1224 als Folge der Orient reise erblindete und sein Körper unter Erscheinungen der Stigmata erschöpft zusammenbrach, verließ er sein irdisches Leben. Seine Mitbrüder schwor er noch einmal mit seinem Testament auf sein Lebenscredo ein: den unbedingten Ge horsam, das Armutsbekenntnis, die Ehelosigkeit und den mittlerlosen Weg zur Gotteserkenntnis. Ein unbequemes Testament. Anstrengend. Vielleicht übermenschlich, aber verbindend.

Mit der Welt. Mit dem Leben. Mit Jesus Christus.

 

Sonnengesang

Du höchster, mächtigster, guter Herr, Dir sind die Lieder des Lobes, Ruhm und Ehre und jeglicher Dank geweiht; Dir nur gebühren sie, Höchster, und keiner der Menschen ist würdig, Dich nur zu nennen.

Gelobt seist Du, Herr, mit allen Wesen, die Du geschaffen, der edlen Herrin vor allem, Schwester Sonne, die uns den Tag heraufführt und Licht mit ihren Strahlen, die Schöne, spendet; gar prächtig in mächtigem Glanze: Dein Gleichnis ist sie, Erhabener.

Gelobt seist Du, Herr, durch Bruder Mond und die Sterne. Durch Dich sie funkeln am Himmelsbogen und leuchten köstlich und schön.

Gelobt seist Du, Herr, durch Bruder Wind und Luft und Wolke und Wetter, die sanft oder streng, nach Deinem Willen, die Wesen leiten, die durch Dich sind.

Gelobt seist Du, Herr, durch Schwester Quelle: Wie ist sie nütze in ihrer Demut, wie köstlich und keusch!

Gelobt seist Du, Herr, durch Bruder Feuer, durch den Du zur Nacht uns leuchtest. Schön und freundlich ist er am wohligen Herde, mächtig als lodernder Brand.

Gelobt seist Du, Herr, durch unsere Schwester, die Mutter Erde, die gütig und stark uns trägt und mancherlei Frucht uns bietet mit farbigen Blumen und Kräutern.

Gelobt seist Du, Herr, durch die, so ergeben um Deiner Liebe willen Pein und Trübsal geduldig tragen. Selig, die’s überwinden im Frieden: Du, Höchster, wirst sie belohnen.

Gelobt seist Du, Herr, durch unsern Bruder, den leiblichenTod; ihm kann kein lebender Mensch entrinnen.
Wehe denen, die sterben in schweren Sünden! Selig, die er in Deinem heiligsten Willen findet!
Denn sie versehrt nicht der zweite Tod.

Lobet und preiset den Herrn!
Danket und dient Ihm in großer Demut

 

Auszüge aus dem Testament des Heiligen Franziskus

Vom Herrn gegeben
So gab der Herr mir, dem Bruder Franziskus, mit Taten der Buße zu beginnen.

Ausgesetzt

Als ich voller Sünde war, erschien mir widerlich und bitter, Aussätzige zu sehen. Der Herr führte mich unter sie, und ich handelte barmherzig an ihnen. Als ich von ihnen wegging, wurde in Süßigkeit für Seele und Leib verwandelt, was mir vorher bitter erschienen war.

Die Welt verlassen
Nur kurze Zeit blieb ich und zog dann aus dieser Welt.

Gebet in Einfalt
Der Herr gab mir so viel Vertrauen in den Kirchen, dass ich einfach bete und sage: Wir beten dich an, Herr Jesus Christus.
Und im Blick auf all deine Kirchen in der ganzen Welt. Wir segnen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die
Welt erlöst.

Die Kirche lieben

Dann gab mir der Herr und gibt mir immer noch in die Priester, die nach der Form der heiligen Römischen Kirche
leben, so großes Vertrauen, und zwar aufgrund ihrer Weihe.

Sakrament und Wort
Dies tue ich, weil ich in dieser Welt von dem höchsten Sohn Gottes nichts leiblich sehe außer seinem heiligsten Leib und seinem heiligsten Blut. […] Seine heiligsten Namen und Worte, die niedergeschrieben sind und die ich an unerlaubten Orten finde, will ich sammeln.

Das Evangelium leben
Nachdem der Herr mir Brüder gegeben hatte, zeigte mir kein Mensch, wie ich leben sollte, sondern der Höchste selbst offenbarte mir, dass ich nach der Form des heiligen Evangeliums leben müsse.

Ja sagen zur Einfalt
Ich ließ es in wenigen einfachen Worten aufschreiben, und der Herr Papst bestätigte es mir.

Das Kleid der Armen
Viele kamen, um das Leben zu empfangen. Sie gaben alles, was sie gerade hatten, den Armen. Sie waren zufrieden mit einer einzigen Kutte, innen und außen geflickt, mit einem Strick und den Hosen. Mehr wollten wir nicht besitzen.

Lob Gottes
Wir beten das Stundengebet, die Kleriker wie andere Kleriker, die Laienbrüder das Vaterunser. Wir hielten uns sehr gern in den Kirchen auf. Wir waren ungebildet und allen untertan.

Arbeit und Almosen
Ich arbeite mit meinen Händen. Ich will arbeiten. […] Wenn uns einmal kein Arbeitslohn gegeben wird, wollen wir
zum Tisch des Herrn fliehen und um Almosen bettelnd von Haus zu Haus gehen.

Frieden stiften
Der Herr offenbarte, dass wir zum Gruß sagen sollen: Der Herr gebe dir den Frieden.

Armut und Demut
Die Brüder sollen sich hüten, je Kirchen, ärmliche Unterkünfte und alles, was für sie gebaut wurde, anzunehmen, außer sie wären so, wie es sich für die heilige Armut geziemt, die wir in der Regel versprochen haben.

Gebunden
Ich will sehr wohl dem Generalminister dieser Brudergemeinschaft gehorchen und jedem Guardian, den er mir geben will.

Krankheit
Wenn ich auch einfältig und schwach bin, will ich doch immer einen Kleriker bei mir haben, der mit mir das Stundengebet betet, wie es in der Regel vorgeschrieben ist.

Strenge und Erbarmen
Und alle anderen Brüder sollen es ebenso halten, ihrem Guardian gehorchen unddas Stundengebet gemäß der Regel beten. Regel und Testament befolgen bis ans Ende Die Brüder sollen nicht sagen: Dies ist eine andere Regel. Dies ist nämlich Erinnerung, Ermahnung, Aufmunterung und mein Testament, das ich, der armselige Bruder Franziskus, euch gebe, meine gesegneten Brüder, damit wir die Regel,  die wir dem Herrn versprochen haben, katholischer befolgen.

Segen
Jeder, der dies befolgt, werde im Himmel erfüllt vom Segen des höchsten Vaters.
Quelle: Einhorn, Werinhard und Rotzetter, Anton: Franz von Assisi. Das Testament eines armen Mannes. Basel, Wien 1987

 

Kontakt zu den Franziskanern

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Provinzialat der Deutschen
Franziskanerprovinz
St.-Anna-Straße 19
80538 München
T 089. 21 126-150
F 089. 211 26-111
provinzialat@franziskaner.de

Weitere Informationen unter folgenden Quellen:
www.franziskaner.de
www.orden.de
www.orden-online.de
www.wikipedia.de