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Bergfest!

Liebe(r) konkret 12: Bergfest!

Sieben Monate Fortschrittsforum. Drei Plenumssitzungen. Eine Webseite. Und Unmengen an Wörtern. Gedacht, gesprochen, geschrieben. Haben wir FoFo’s noch die Kraft für den Abstieg ins grüne Tal, um die nächsten blauen Berge am Horizont zu erreichen?

Veröffentlicht auf: www.fortschrittsforum.de

Eines steht fest: Gestartet sind wir FoFo’s fast zu 100. Bunt gemischt, ihres Zeichen Meister der Metaebene und des Wortes. Berggipfel sind unser Zuhause. Diesmal sind 50 von uns nach der Hälfte des Prozesses noch aktiv an Bord. Eine gute Quote für ein reales Großgruppenexperiment,das so in seiner politikberatenden Funktion seines Gleichen suchte – und dann in diesem Jahr im Zukunftsdialog für Deutschland dann doch gefunden hat. Das Land macht sich anscheinend auf die Suche nach einer neuen Vision und die politischen Struktureliten beginnen, auch eher politikferne Gesellschaftsbereiche für die Neukreation eines gemeinsamen Weges in die Zukunft im größeren Stil nutzbar zu machen. Ihr aktuelles Rezept: Die Installation von sogenannten erweiterten Expertengremien mit optionalen Diskursmöglichkeiten für eine interessierte und medienaffine weil webbasierte Öffentlichkeit. Oder kurz: „Wir entwickeln und ihr könnt euren ephemeren Senf dazugeben. Wenn ihr Bock habt.“

Wir FoFo’s sollten der Enquetekommission des Deutschen Bundestages
„Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ kongenial zur Seite stehen, allen voran den Mitgliedern von SPD und Grüne. Die Zukunftsdialogler standen dagegen eher exklusiv der Kanzlerin und ihrem Apparat zur Verfügung.

Unser gemeinsames Ziel – wenn ich es richtig verstanden habe: 2012 zu einem Aufbruchsjahr zu machen. Der Juli ist angebrochen. Die EM liegt gerade hinter uns. Deutschland ist erneut im Halbfinale ausgeschieden. Ein Omen für das große Infrastrukturprojekt Deutschland im 21. Jahrhundert?

Definitiv nein! Die am Horizont sichtbar werdenden blauen Berggipfel leuchten klarer denn je, auch wenn Einzelheiten nicht erkennbar sind. Jeder Atemzug bringt weiter frische, klare Luft in die verstaubten Lungen, Herzen und Gehirne. Allein beim Zukunftsdialog gingen über 10.000 Ideen aus dem Land ein. Doch der Weg auf diesen ersten Gipfel des Vorgebirges hat so viel Kraft gekostet, dass der Abstieg ins grüne Zwischental und der erneute Aufstieg zu den blauen Gipfeln die Diskursteilnehmer erschreckt und die Sause am Gipfelkreuz immer länger werden lässt. Es ist ja aber auch so verdammt schön ruhig hier oben und was ist schon das Gewussel an der Grasnarbe gegen das Téte-a-Téte mit dem Himmel?

Ein Führungswechsel bahnt sich an. Und es könnte zugleich ein Generationenwechsel werden. Denn dieses Gipfelkreuz markiert eine Zeitenwende. Ja eine Kulturwende. Hinter uns liegt das Tal der Einzelkämpfer, die anderen Einzelkämpfern hinterher liefen in schön voneinander getrennten Funktions-, Kommunikations- und Lebenswelteinheiten. Spezialisten in
Divisionsstrukturen. Die einen waren gut waren im Zusammentragen, die
anderen im Abarbeiten, Kommunizieren, Prozessoptimieren und Kontrollieren.
Und ganz hinten, irgendwie versprengt und abgehängt, diejenigen, die kreieren. Der Preis: Jeder selbst war irgendwie auf der Reise, aber eben nicht zusammen. Der Andere geriet außer Sichtweite und damit aus dem Sinn: für’s Große und Ganze. Und damit die Wichtigkeit aller für die Gesamtreise. Mit jedem Tag nicht gelebter Verbundenheit stieg die gefühlte Isolation, was bei den einen in eine empfundene Wirkungslosigkeit des eigenen Lebens für das Ganze umschlug und bei den anderen in das Gefühl der totalen und verzerrten Selbstwahrnehmung „Wenn alle mal das machen würden, was ich tue/denke/sage …“.

Wir FoFo’ler sind gemeinsam mit eben dieser letztgenannten Mover-and-Shaker-Gruppe auf dem Gipfel angekommen. Empfehlungsdossier für die kommende Reiseetappe inklusive. Schön ausformuliert auf 30 Seiten. Ready to produce. Doch die Speerspitzenreisegruppe hier oben auf dem Gipfel und der noch heraufkletternde Troß gleichen eher einem versprengten Heer auf dem Rückzug mit starken Individualüberlebenstrieb als einer kraftvollen, lebensfreudigen, gut ausgebildeten und starken Aufbaugemeinschaft. Jeder weitere Schritt scheint einer zuviel: für die
individuellen und gemeinschaftlichen Kräfte. Was tun? Ist das überhaupt
noch die Aufgabe des Fortschrittsforums? Ist nicht ein 30-Seiten-Papier
genug des Guten?

Nein, ist es nicht. Was in den zurückliegenden Jahren vielleicht noch
funktionieren mochte: „Die einen sagen, die anderen machen einfach.“
funktioniert heute nicht mehr. Es erreicht die Menschen nicht mehr. Das
mediale Wort ist zwar allgegenwärtig, jedoch so wirkungslos wie nie. Denn
es existiert keine Verbindlichkeit zum Wort, zur Botschaft, zu den Absendern. Im Gegenteil: Jeder, der einen akademischen Titel trägt und / oder in einer Großstruktur eine Karriere hingelegt hat, scheint als Lösungskommunikator für eine neue Zukunft erst mal per se verdächtig. Denn gesucht sind nicht die Wort- und Strukturkarrieristen der vergangenen Gesellschaft, die mit Skepsis in das vor uns liegende Tal blicken. Gesucht wird das fleischgewordene Wort in Form von lebendigen Lebensentwürfen, die überzeugen und mitten unter den Menschen wirken und nicht „für die Menschen da draußen„. Kurz: Aktivisten mit einem inneren Reifegrad, Passion und dem Verständnis, dass der Plan für den Weg in die Zukunft von den Menschen selbst erarbeitet werden muss, um so eine innere Eigentümerschaft und Verbindlichkeit aufbauen zu können. Denn der Weg ins Tal zu den nächsten blauen Bergen braucht den ganzen Menschen, der verbunden ist mit seinen Mitmenschen und seiner Mitwelt.

Das ist anstrengend. Das kostet Zeit. Das bedeutet ein starkes Ich und ein überzeugtes Wir. Und das bedeutet Vertrauen – in die Menschen und in das, was wachsen wird. Potenzialentfaltungskultur nennen das die Zukunftsdialogler rund um Gerald Hüther und haben dabei vor allem das Individuum im Blick. Wir FoFo’ler nennen es ergänzend „Mehr miteinander wagen.“ und verweisen auf die neue Verbundenheit.

Nun lasst aber auch bitte den Worten Taten folgen und den Aktivisten in uns entdecken getreu dem Arendtschen Motto: „Politik ist angewandte Liebe zum Leben.“ Und nicht gesprochene.