Bei aller Liebe: Ohne Geld läuft auf Dauer gar nichts!
Publiziert auf: www.fortschrittsforum.de
Um es direkt vorweg zu sagen: Den berühmten Geldpapst habe ich nicht getroffen. Also einen, der entweder richtig viel Geld auf dem privaten Konto hat, einer Bank vorsteht (am besten gleich der Europäischen Zentralbank) oder Kapitän eines Geschäftsimperiums ist und Unsummen bewegt. Wobei ich sie schon am Telefon hatte. Aber sagen wollten sie lieber nichts zum Thema. Aus Angst vor Stigmatisierung: „Wer Geld hat, muss es unrechtmäßig erworben haben und daher ein moralisch zweifelhafter Mensch sein.“ Oder: Weil sie die Frage einfach nicht verstanden haben. „Liebe und Geld. Was wollen Sie denn von mir?“
Damit waren sie allerdings nicht alleine. Denn alle Probanden meiner Love-Revolution-Testreihe 2012 konnten zwar immer etwas über Geld sagen. Zu Liebe hingegen wenig bis gar nichts. Und das hat mich wirklich überrascht.
Ok, bei den Juristen und VWL’ern aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis war eine ermüdende Definitionsdiskussion zu erwarten: „Besitzt das Konzept Liebe über den affektiven Bereich hinaus überhaupt Gültigkeit?“ Aber dass auch alle anderen Gesprächspartner zunächst rational die Gedankenhoheit über das irrationale Thema Liebe herstellen wollten, dabei mit ihrem i-Phone auf Wikipedia zurückgriffen und sich damit zufrieden gaben, Liebe als stärkstes zwischenmenschliches Gefühl diskursiv nutzbar zu machen, hat mich überrascht. Liebe – ein kleiner H2H-Affekt. Human to Human. Die Welt und das Leben hatten da keinen Platz in dieser determinierten Zweierkiste, die ganz im Sinne unserer Zeit dazu noch einem Diktum gehorcht: „Was bringt mir das?“
Keine Rede vom unsinnigen und allumfassenden Gesamtzustand der freien Verbundenheit. Sondern vielmehr der vergebliche Versuch, Liebe als Privatiers-Angelegenheit in Sicherheit zu bringen. Oder sich vor ihr in Sicherheit zu bringen. Denn auch das blitzte bei dem einen oder anderen zwischen den Zeilen durch: Liebe kann kann viel werden und macht Angst. Weil sie sich radikal in Frage stellt und zur Weiterentwicklung anhält.
Wen wundert’s, dass im Gegenzug alle ganz wunderbar darüber Bescheid wussten, was gerade eine Feinunze Gold kostet. Die ist ja auch praktisch in der Hosentasche verstecktbar. Ein Handschmeichler halt. Vor allem meine studentischen Gesprächspartner zuckten nervös bei der Frage zusammen. „Politisch korrekt“ wollten natürlich alle lieber für einen guten Job gelobt werden als entlohnt. Und die große Liebe stand ganz oben auf dem Wunschzettel. Off the records wollten alle alles, möglichst günstig, ohne großen Aufwand, ohne Verbindlichkeiten und mit einem Maxium an Return on Investment.
Ich habe noch nicht einmal einen getroffen, der zugab, Geld von Herzen zu lieben. So einen wie Dagobert Duck, der allein vom Geruch des Geldes geil wird und tagelang im Geldspeicher schwimmt. Was alle dagegen erregt – neben der Sicherheit – ist die Macht, die Geld verleiht, oder freundlicher ausgedrückt: kreative Gestaltungsmöglichkeit mit Chika-Garantie. Bestens zu sehen bei mir im Kiezdönerladen mit angrenzender Spielhölle. Tarnlackierter SLK, zwei Bunnies unterm Arm und die Geldrolle in der Hand: „Hast du Geld, hast du Frauen, bist du geil.“
Vor allem meine älteren Gesprächspartner schienen geradezu allergisch auf den Begriff Liebe zu reagieren und insistierten fast flehentlich, abzukehren vom eingeschlagenen Pfad der Liebesrevolution: „Sven, bei aller Liebe, ohne Geld geht auf Dauer gar nichts.“ Wo er Recht hat, mein Patenonkel, hat er Recht. Schließlich leben wir in Deutschland, und wir haben uns auf Geld als universelles Bewertungs- und Austauschmittel unserer Gesellschaft geeinigt. Schließlich hat alles seinen Preis, und die Wut-Bürger-Diskussionen der Zukunft werden vor allem um ein Thema kreisen: „Was bin ich und meine Tätigkeit wert? Und warum du soviel?“ Denn Geld, und soviel bin ich mir nach unzähligen Gesprächen sicher, bestimmt aktuell unser aller Denken. Die, die viel Geld haben, machen sich Sorgen, wie man es halten und mehren kann. Oder sie werden nicht müde zu betonen, dass Geld nicht alles ist. Immer wieder. Und die, die wenig oder gar nichts haben, spüren den Schmerz der Leere und des Neides und wollen es umverteilen. Geld ist überall. Liebe bloßer Schall.
Sollte damit meine Liebesrevolution schon im Anfang zum Scheitern verurteilt sein? Aus Mangel an Liebe?
Ich drohte zu verzweifeln. Da bekam ich eine Geburtstags-Email zur Kenntnissnahme weitergeleitet. Adressiert war sie an einen Onkel. Mein Vater, ein Kaufmann mit Leib und Seele, hatte sie geschrieben. Im Namen unserer gesamten Familie: „Zum 80. wünschen wir die alles Gute. Deine Schlebes-GbR!“
Zunächst klang es wie ein Hohn. „Wenn du mein Sohn, meinst, meine Welt der Wirtschaft mit Liebe durchtränken zu wollen, erkläre ich unsere Welt der Familie zum Hoheitsgebiet der Wirtschaft.“
Doch dann musste ich lachen. Und weinen zugleich. Dieser Brief war eine erngstgemeinte Liebesklärung an die Familie. Aber in seiner Sprache. Der Sprache der Wirtschaft und des Geldes. Und da wusste ich: Es geht doch zusammen. Geld und Liebe.